Qualitätssicherung und elektronische Dokumentation

Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement gewinnen in der medizinischen Versorgung immer mehr an Bedeutung. Beständig steigt die Zahl der Qualitätsvereinbarungen, die Krankenhäusern oder niedergelassenen Ärzten die Einhaltung bestimmter Normen und Qualitätsstandards abverlangen. Zu diesem Zweck müssen zahlreiche Statistiken geführt und Leistungs- und Qualitätsindikatoren erhoben, gemessen und verglichen werden. Bei der Entwicklung entsprechender Dokumentationssysteme zu Qualitätssicherungszwecken gibt es einiges zu beachten, wie die Erfahrungen im Mammographie-Screening gezeigt haben.

Messbar oder nicht messbar?
Lege die zu dokumentierenden Angaben fest! Was einzugeben ist, hängt natürlich maßgeblich von der Frage ab, welche messbaren Leistungsparameter am Ende ausgegeben werden sollen. Geht es darum einen einfachen Ja-Nein-Sachverhalt auszuwerten, z.B. ob eine bestimmte Behandlung durchgeführt wurde oder nicht? Oder ist eine Differenzierungstiefe erforderlich, beispielsweise. mit verschiedenen Kategorien für den Schweregrad einer Erkrankung? Selbst bei scheinbar eindeutigen Ja-Nein-Angaben kann es sein, dass z.B. aus medico-legalen Gründen ein dritter Wert für „unbekannt“ erfassbar sein muss, damit der dokumentierende Nutzer klar abgrenzen kann, ob ein bestimmter Zustand nicht vorliegt („nein“) oder nicht eingeschätzt werden kann („unbekannt“). Bei komplexeren Parametern mit mehreren Ausprägungen sollten nach Möglichkeiten Kategorisierungen nach international anerkannten Nomenklaturen oder eindeutige, in Zahlen messbare Skalen verwendet werden. Skalen, die auf subjektiven Einschätzungen basieren wie Einteilungen in Kategorien von „sehr gut“ bis „sehr schlecht“, liefern keine vergleichbaren und damit statistisch verlässlich auswertbaren Angaben.

Data Warehouse statt Datengräber
Ist es wirklich erforderlich, die benötigten Daten separat einzugeben oder sind die Daten bereits an anderer Stelle erfasst – vielleicht nur in einer etwas anderen Form? Lassen sie sich vielleicht aus den Abrechnungsdaten der niedergelassenen Ärzte ermitteln oder aus einheitlich erfassten Behandlungs- oder Diagnoseschlüsseln in den Krankenhausinformationssystemen? Oder liegen sie gegebenenfalls kodiert in digital erstellten Aufnahmen vor? In solchen Fällen liegt die Lösung möglicherweise im so genannten Data-Warehousing ˗ dem Zusammenführen von Daten aus unterschiedlichen Quellen. Diese Daten werden für die Nutzung in einem einheitlichen Format aufbereitet. Dabei sollte von Anfang an ein großes Augenmerk auf die Erstellung von Schnittstellen gelegt werden, die der Erhebung und Übertragung dieser Daten dienen. Das erspart letztlich den dokumentierenden Benutzern viel Zeit und Mühe.

Synergien nutzen
Häufig liegen die benötigten Daten zwar bereits irgendwo vor, können aber aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht für die Qualitätssicherung genutzt werden oder die Datenquellen sind aus anderen Gründen nicht zugänglich. Dann ist es unumgänglich, dass die Daten von den Benutzern eingegeben werden. Wenn möglich sollte dabei vermieden werden, dass der Benutzer gezwungen ist, dieselben Daten mehrfach in unterschiedlichen Systemen zu jeweils unterschiedlichen Zwecken zu erfassen. Eine Dokumentationssoftware sollte also dem Benutzer die Möglichkeit bieten, alle Fall-relevanten Daten über ein System zu erfassen z.B. indem es auch die Erfassung der medizinisch relevanten Fakten ermöglicht (elektronische Krankenakte) oder aus der Dokumentation die benötigten Abrechnungsdaten generiert.

Pflichtfelder versus optionale Angaben
Anders als bei der papiergestützten Dokumentation kann eine Dokumentationssoftware Eingaben erzwingen. Beispielsweise kann das System das Abschließen eines Dokumentationsschrittes verweigern, solange in einem bestimmten Feld keine Angabe gemacht wurde. Dies kann man sich im Sinne der Qualitätssicherung zu Nutze machen, um die Vollständigkeit der benötigten Daten sicherzustellen. Die Anzahl der Pflichtfelder muss überschaubar bleiben und sie sollten bereits bei der Eingabe eindeutig als Pflichtangaben gekennzeichnet sein. Insbesondere in Freitextfeldern ist es selten sinnvoll, eine Eingabe zu erzwingen. Diese Felder dienen meist der Erfassung von sehr individuellen Zusatzangaben, die anderweitig nicht in die strukturierte Dokumentation passen und können nur selten sinnvoll statistisch ausgewertet werden. Für die Benutzer ist die Möglichkeit zur Erfassung zusätzlicher Angaben in Freitextform jedoch oft von großer Bedeutung, um individuelle Informationen für sich selbst oder andere an der Behandlung Beteiligte erfassen zu können. Handschriftliche Notizen können dann entfallen und ermöglichen es ggf. eine ausschließlich digitale Patientenakte zu führen.

Workflow unterstützen
Manche Qualitätssicherungsrichtlinien beinhalten auch Anforderungen an einen bestimmten Ablauf der Behandlung oder die Kooperation zwischen verschiedenen Beteiligten. Auch hier kann eine Dokumentationssoftware ein wichtiges Werkzeug zur Unterstützung sein. Je nachdem, welche Angaben zum Ergebnis der Diagnostik, Indikationen oder Empfehlungen zur Behandlung dokumentiert wurden, kann die Software automatisch bestimmte Ereignisse auslösen, um die sich der Dokumentierende dann nicht mehr selbst kümmern muss. Serienbriefe zur Benachrichtigung der Patienten können erstellt oder E-Mails an beteiligte Ärzte automatisch generiert werden, in denen die relevanten Informationen aus der Dokumentation strukturiert zusammengefasst werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Generierung von digitalen Worklists, die Benutzer bei der fristgerechten Erledigung ihrer Aufgaben unterstützen können. Ein bestimmter Benutzer kann eine solche Worklist im Dokumentationssystem aufrufen und sieht z.B. alle Patienten, die für eine von ihm durchgeführte diagnostische oder therapeutische Maßnahme ausgewählt wurden. Der Benutzer macht die entsprechenden Angaben, der Worklist-Eintrag wird „abgehakt“ und gegebenenfalls eine weitere Folgeaktion ausgelöst. Auch das Weiterleiten von digitalen Bildinformationen an die jeweiligen Benutzer kann so automatisiert werden.

Oberfläche optimieren
Um die Dokumentation so einfach und intuitiv wie möglich zu gestalten, muss die Benutzeroberfläche den Bedürfnissen der Benutzer angepasst werden. Hierbei sind vielfältige – teilweise einander widerstrebende – Interessen zu berücksichtigen. So sollte einerseits die Eingabemaske so kompakt wie möglich sein, um unnötiges Scrollen zu vermeiden. Andererseits wird häufig gewünscht, dass die wichtigsten Angaben aus der vorhergehenden Dokumentation, z.B. aus der Anamnese des Patienten, ebenfalls angezeigt werden, um einen guten Gesamtüberblick über den Gesamtzustand des Patienten zu behalten. Automatische Plausibilisierungen können die Anwender unterstützen, indem sie bestimmte inplausible Eingaben ausschließen. Dabei darf aber die Dokumentation von Sonderfällen nicht ausgeschlossen werden.

Gegebenenfalls kann der Einsatz von kaskadierenden Eingabefeldern hilfreich sein. Dabei erscheinen die Eingabefelder erst dann auf der Benutzeroberfläche, wenn ein bestimmter Wert in einem anderen Feld dokumentiert wurde. Beispielsweise sind Angaben zu der Art einer Therapie nur sinnvoll, wenn zuvor angegeben wurde, dass eine Therapie durchgeführt werden soll. Durch dieses kontextsensitive Ein- und Ausblenden bestimmter Felder oder Feldwerte wird die Eingabemaske übersichtlich und kompakt gehalten und gleichzeitig die Angabe inplausibler Daten vermieden.

Es muss außerdem überlegt werden, ob die Oberfläche für die Bedienung mit Maus oder Tastatur optimiert wird und ob gegebenenfalls sinnvolle Tastaturkürzel für gängige Standarddokumentationen definiert werden können. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, Felder mit häufig auftretenden Werten oder den Ergebnissen der Voruntersuchungen vorzubelegen. Allerdings läuft der Benutzer bei einer Vorbelegung Gefahr, zu übersehen, dass eine bestimmte Angabe explizit von ihm gefordert wird und er die Dokumentation versehentlich abschließt, ohne die Vorbelegung anzupassen.

Auch der Einsatz von Warnmeldungen besonders bei prozesskritischen oder irreversiblen Dokumentationsschritten sollte wohlüberlegt sein. Zieht eine bestimmte Dokumentation einen Folgeprozess oder gar den Abschluss der Dokumentation – und damit auch der Behandlung – nach sich? Dann sollte der Benutzer über die Konsequenzen noch einmal durch eine Sicherheitsabfrage informiert werden: „Wollen Sie die Dokumentation wirklich abschließen? Sie können Ihre Eingaben danach nicht mehr ändern!“, „Für den Patienten wird ein weiterer Abklärungstermin vereinbart. Sind sie sicher?“ oder auch „Sie haben dokumentiert, dass die Behandlung abgeschlossen ist. Die Entlassung des Patienten wird damit eingeleitet.“

6 Tipps auf einen Blick

1. Legen Sie fest, welche möglichst objektiv messbaren Parameter ausgegeben werden sollen!

2. Prüfen Sie, welche Daten bereits erhoben werden und nutzen Sie beim Data Warehousing standardisierte Schnittstellen sowie die Frage, ob eine Nutzung der Daten für QS-Zwecke datenschutzrechtlich zulässig ist!

3. Nutzen Sie Synergien im Dokumentationsmanagement! Optimal ist eine Dokumentationssoftware, in der alle Fall-relevanten Daten erfasst werden können. Vermeiden Sie Mehrfacheingaben!

4. Unterstützen Sie den Workflow durch Automatisierung von Standardprozessen!

5. Berücksichtigen Sie beim Gestalten der Benutzeroberfläche neben der erforderlichen Kompaktheit vor allem auch die Anwenderbedürfnisse! Beziehen Sie hierfür die potenziellen Benutzer der Dokumentation schon frühzeitig in der Entwicklung der Software mit ein! Ihre Anwendersicht ist von großem Wert für die Optimierung des Systems.

6. Haben Sie nicht den Anspruch, bereits „am grünen Tisch“ das perfekte System zu planen, das von Anfang an mit allen möglichen Eventualitäten und Fehlern umgehen kann! Auch bei komplexen und intensiven Test- und QS-Verfahren im Vorfeld, werden viele Fehler erst im laufenden Betrieb zu Tage trete. Planen Sie daher schon frühzeitig die Weiterentwicklung und die Kommunikation mit den Anwendern. Sinnvoll ist auch ein ständiges Nutzerforum nach Inbetriebnahme, um potenzielle Schwachstellen schnell beheben und weitere Verbesserungen umsetzen zu können.

 

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