Rechtliche Grundlagen des Mammographie-Screening-Programms

Vom Sozialgesetzbuch zur Leistungserbringung, wie ist das Deutsche Mammographie-Screening-Programm rechtlich verankert?

Bereits 2002 beschließt der Deutsche Bundestag die Einführung eines flächendeckenden Mammographie-Screening-Programms gemäß der EU-Guidelines (European guidelines for quality assurance in breast cancer screening and diagnosis). Damit greift der Bundestag der Empfehlung des Europäischen Rates zur Krebsfrüherkennung (2003) vor.

 

2018 04 09_MAMMO_Graphik_BMG_BMU_BLOG_20170425 (002)Abbildung 1: rechtliche Grundlagen MSP

Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch (SGB-V)

Im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch sind alle Bestimmungen zur deutschen gesetzlichen Krankenversicherung zusammengefasst. Hier wurden auch die Voraussetzungen für die Einführung des Früherkennungsprogramms verankert: § 25 (2) SGB V garantiert allen Versicherten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krebserkrankungen. Anhand der europäischen Guidelines zur Qualitätssicherung von Krebsfrüherkennungsprogrammen sollen organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme angeboten werden.

In § 25a (1) SGB V werden folgende grundlegende Merkmale einer organisierten Krebsfrüherkennung definiert:

  • regelmäßige Einladung,
  • umfassende und verständliche Information zu Nutzen und Risiken,
  • inhaltliche Bestimmung von Zielgruppe, Untersuchungsmethoden, Abständen zwischen den Untersuchungen, Altersgrenzen, Vorgehen zur Abklärung und Qualitätssicherung sowie
  • systematische Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität

Zudem fordert das SGB-V den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) auf, nähere Regelungen zur Durchführung, Evaluation und Qualitätssicherung der Krebsfrüherkennungsprogramme festzulegen sowie regelmäßig über den Stand der Maßnahmen zu berichten.

Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bestimmt in Form von Richt­li­nien den Leis­tungs­ka­talog der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV). Darüber hinaus besch­ließt der G-BA Maßnahmen der Quali­täts­si­che­rung im Gesundheitswesen, verfasst neue oder aktualisiert bereits bestehende Richtlinien. Der G-BA erhält seinen gesetzlichen Auftrag durch den  Gesetzgeber (Bundestag, Bundesrat)  und steht unter der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Er wird von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem GKV-Spitzenverband gebildet.

Krebsfrüherkennungsrichtlinie (KFE-RL)

In der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie (KFE-RL) gibt der G-BA u. A. die Struktur des Mammographie-Screenings vor. Die KFE-RL ist eine untergesetzliche Norm und rechtlich bindend. Medizinische und organisatorische Durchführung des Mammographie-Screening-Programms sowie die Rahmenbedingungen zur Sicherung und Förderung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität werden in der KFE-RL definiert.

Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä)

Im Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) vereinbaren die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband (Spitzenverband Bund der Krankenkassen) zusammen die vertragsärztliche Versorgung. Bezugnehmend auf die KFE-RL wird die detaillierte Ausgestaltung des Mammographie-Screening-Programms in der Anlage 9.2 des BMV-Ä festgelegt. Dort sind u.A. die Qualifikationsanforderungen an das ärztliche und nicht-ärztliche Personal, die Voraussetzungen an die apparative Ausstattung, die Überprüfung der Anforderungen im Rahmen der Zertifizierung sowie der Ablauf des Versorgungsprozesses geregelt.

Die Vorgaben der EU-Guidelines, die bei der Gestaltung der KFE-RL und der Anlage 9.2 BMV-Ä Vorbild waren, werden von den bundesweit geltenden Maßnahmen zur Qualitätssicherung und dem Qualitätsmanagement des Mammographie-Screening-Programms zum Teil sogar übertroffen.

Röntgenverordnung (RöV) – Strahlenschutzgesetz

Im Rahmen des Strahlenschutzes ist jede unnötige Strahlenexposition für Mensch und Umwelt zu vermeiden.

Die Anwendung von Röntgenstrahlen in Ausübung der Heilkunde bedarf immer einer individuellen rechtfertigenden Indikation. Mammographien im Screening-Programm stellen eine Anwendung außerhalb der Heilkunde im engeren Sinn dar, da mehrheitlich gesunde Frauen ohne medizinische Indikation geröntgt werden. Das Mammographie-Screening-Programm wird seitens der Röntgenverordnung an einem positiven Nutzen-Schaden-Verhältnis gemessen:

Nutzen-Schaden-Verhältnis

Laut §3 RÖV bedarf der Betrieb einer Röntgeneinrichtung einer Genehmigung, die auf längstens fünf Jahre befristet ist. Das Bundesamt für Strahlenschutz gibt diese Aufgabe an die Bundesländer weiter, die wiederum bestimmen welche Landeseinrichtungen tätig werden. Die Genehmigung der zuständi­gen Landesbehörde sowie die Einhaltung der Vorgaben der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie und der Anlage 9.2 des Bundesmantelvertrages sind Voraussetzungen für die Zulassung zur Durchführung des Mammographie-Screenings.

Im Rahmen des Mammo­graphie-Screening-Programms müssen darüber hinaus spezielle Anforderungen der Röntgenver­ordnung sowie der betreffenden Richtlinien und Normen erfüllt werden. Zusätzlich sind im Bun­desmantelvertrag Anforderungen an die im Pro­gramm eingesetzten Mammographie-Systeme festgeschrieben.

Eine Besonderheit im Mammographie-Screening-Programm ist die herstellerunabhängige umfassende jährliche Prüfung sämtlicher Komponenten der eingesetzten Röntgeneinrichtungen. Diese Prüfung erfolgt unter der Verantwortung eines Medizinphysik Experten durch Mitarbeiter der Referenzzentren mit entsprechender Fachkunde im Strahlenschutz.

Die bisher in der Röntgenverordnung (RöV) und der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) festgelegten grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit vor Gefahren durch ionisierende Strahlungen finden sich ab 2018 im neuen Strahlenschutzgesetz.

Genehmigungsverfahren für die Übernahme und Abrechnung von Leistungen

Das Genehmigungsverfahren für die Übernahme und Abrechnung von Leistungen im Mammographie-Screening-Programm ist in der Anlage 9.2 BMV-Ä festgelegt:

Die Übernahme des Versorgungsauftrages durch den Programmverantwortlichen Arzt bedarf der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung. Sie ist im Einvernehmen mit den zuständigen Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene zu erteilen (§ 4 Anlage 9.2 BMV-Ä).

Auch die Ausführung von veranlassten Leitungen durch Krankenhausärzte bedarf der Ermächtigung durch die Kassenärztliche Vereinigung (§ 16 Anlage 9.2 BMV-Ä).

Alle Genehmigungen werden mit der Auflage erteilt, dass bestimmte Voraussetzungen an die fachliche Befähigung, Organisation und apparative Ausstattung erfüllt werden und diese durch entsprechende Zeugnisse und Bescheinigungen nachgewiesen werden (§ 38 Anlage 9.2 BMV Ä).

Zusammenfassung

Das Sozialgesetzbuch sichert allen Versicherten das Recht auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krebserkrankungen zu. Um die Risiken der Früherkennung zu minimieren und den Nutzen zu maximieren, wurde das organisierte Deutsche Mammographie-Screening-Programm eingeführt. Zahlreiche gesetzliche und untergesetzliche Normen garantieren ein Höchstmaß an Qualität und Sicherheit innerhalb des Programms. Damit ist das Deutsche Mammographie-Screening-Programm europaweit führend und wegweisend im Bereich organisierter Früherkennung.

Qualitätsbericht 2015: Diagnostische Güte im Mammographie-Screening bestätigt

Brustkrebs frühzeitig zu entdecken, dadurch schonendere Behandlungen zu ermöglichen und schlussendlich die Brustkrebsmortalität zu senken, ist das Ziel des deutschen Mammographie-Screening-Programms. Dabei muss darauf geachtet werden, die vorwiegend gesunden Frauen im Screening möglichst wenig durch diagnostische Maßnahmen zu belasten. Dies gilt besonders für Biopsien und Operationen. Daher wird im Rahmen des Screenings eine individualisierte, stufenweise Abklärung bei Auffälligkeiten durchgeführt. Erst im letzten Schritt, also wenn durch bildgebende Verfahren ein Karzinom nicht sicher auszuschließen ist, wird eine minimal-invasive Biopsie zur Klärung eingesetzt.

Anhand von Qualitätsparametern können mögliche Belastungen der Frauen gezielt überprüft und Risiken, die mit der Früherkennung einhergehen, kontrolliert werden. Zu diesen Parametern zählen das Verhältnis der Biopsien mit gut- und bösartigem Befund der feingeweblichen Untersuchung, die positiven Vorhersagewerte (PPVs) sowie die Fristen zu Wartezeiten.

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Kollegiales Fachgespräch: zentraler Baustein der Qualitätssicherung

Das kollegiale Fachgespräch zwischen dem Programmverantwortlichen Arzt und dem Referenzzentrumsleiter ist ein wichtiges Instrument, um die Qualität der Screening-Einheiten auf hohem Niveau zu halten. Die Fachgespräche finden jährlich statt und liegen zwischen dem Turnus der Rezertifizierungen (alle 30 Monate). Damit sind zwischenzeitliche Qualitätschecks sowie erforderliche Anpassungen in kurzer Zeit möglich.

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Der Ergebnisqualität auf der Spur – Geprüfte Leistung bei der (Re)-Zertifizierung

Soll die Güte einer Behandlung beurteilt werden, ist dafür die Ergebnisqualität am aussagefähigsten. Gleichzeitig ist sie im Vergleich zur Prozess- und Strukturqualität schwerer messbar.

Das Resultat (z.B. der Gesundheitsfortschritt des Patienten) ist das Ergebnis der erbrachten Leistung. Um die Ergebnisse eines Behandlungsprozesses einheitlich und vergleichbar messen zu können, müssen geeignete Indikatoren festgelegt und beurteilt werden. Dies ist in der Regel sehr schwierig.

Im Mammographie-Screening-Programm lässt sich allerdings durch definierte Grenzwerte der Leistungsparameter die Ergebnisqualität gut messen.

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Kann Risikokommunikation eine Informierte Entscheidung auch verhindern?

Eine gewagte Frage – zugegeben, zumindest, wenn sie auf einem Kongress des Deutschen Netzwerks für evidenzbasierte Medizin gestellt wird. Entscheidungshilfen gelten in den Reihen der EBM-Vertreter als das Non plus Ultra der „Patienteninformation“. Hart wurde dafür gerungen, vor allem auch auf gesundheitspolitischer Ebene. Für Krebsfrüherkennungsprogramme gehen die Entscheidungshilfen nun an den Start. Sie haben eine hohe Reichweite. Allein die evidenzbasierte Informationsbroschüre zum Mammographie-Screening-Programm wird jährlich an mehr als 5 Millionen Frauen in Deutschland versendet.

Vor diesem Hintergrund darf der Gedanke, den Corinna Schäfer vom ÄZQ (Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin) ins Auditorium des diesjährigen EbM-Kongresses gab, zumindest überrascht haben. In ihrem Vortrag stellte sie die Frage, ob Risikokommunikation eine Informierte Entscheidung auch verhindern könne?

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